Viele sicherheitsrelevante Komponenten und Strukturen im industriellen Umfeld stehen unter hohen mechanischen, thermischen Belastungen. Bereits kleine Defekte, wie innere Korrosion, Materialermüdung oder Risse in Schweißnähten können entscheidend für einen Ausfall solcher Systeme und Anlagen sein. Die seit langer Zeit etablierten und bis heute vorrangig genutzten Qualitätssicherungsmethoden setzen vielfach auf manuell durchgeführte zerstörungsfreie Prüfkonzepte auf Basis von Ultraschall oder Wirbelstromsensorsystemen; gegebenenfalls kommen auch weitere elektromagnetische Prüfprinzipien zum Einsatz.
In der konventionellen Prüfung wird das zu untersuchende Bauteil mit einem Prüfkopf punktuell rasterförmig abgetastet. Das Messsignal wird auf dem Prüfgerät in einfacher Form dargestellt und vom Prüfer direkt während der Messung interpretiert. Das Prüfprotokoll wird meist handschriftlich erstellt, oft werden die erkannten Auffälligkeiten sogar nur auf den Bauteilen festgehalten. Hierbei erhält der Prüfer keinerlei technische Unterstützung. Eine stetige und korrekte Interpretation der Messwerte, Kontrolle der vollständigen Abdeckung des Prüfbereichs und die Erstellung des Prüfprotokolls verlangen eine hohe Expertise des Prüfers.
Eine vollständig und korrekt erfasste Datenaufnahme mit einer modernen Visualisierung und gleichzeitigen digitalen Datenauswertung erschließt hier enorme Potentiale. Die von Anfang an auf digitale, intelligente Datenerfassung und online-Auswertung sowie eine auf relevante Daten verdichtete digitale Informationsbereitstellung basierende Prüfkonzeption erlaubt einen enormen Innovationsschub für die zerstörungsfreie Prüfung: Mit dem am Fraunhofer IZFP entwickelten Prüfassistenz-Modul »3D-SmartInspect« wird eine neue Ära für die moderne und höchstflexible personalgestützte Handprüfung eingeläutet. 3D-SmartInspect ist ein Vorreiter-Beispiel für eine ZfP 4.0-Technologie im Zuge der Einbindung von und in digitalen Umgebungen.
Durch die digitale Erfassung des manuellen Prüf- und Handlingprozesses mit Kameras, die Verfolgung der Prüfkopfposition und automatischen Auswertung der Messsignale sowie Erstellung des digitalen Prüfprotokolls entsteht eine neue Klasse von Prüfsystemen, welche die Abwicklung, Analyse und Kontrolle der manuellen Prüfung deutlich erleichtert. Gleichzeitig wird die Assistenz über die Integration und Verschmelzung mit der virtuellen Welt (Augmented Reality) auch für nicht-spezialisiertes Personal anwendbar.
Das Fraunhofer IZFP hat das erste prototypische Assistenzsystem»3D-SmartInspect« auf Basis von Wirbelstrom- und Ultraschallsensoren umgesetzt. Das System unterstützt den Prüfer im manuellen Prüfprozess interaktiv und ermöglicht gleichzeitig eine automatisierte Dokumentation der Prüfdurchführung und eine digitale Ergebnisdatenübertragung.
Vor Beginn der Prüfdurchführung muss lediglich das Kamerasystem an einer geeigneten Stelle aufgestellt werden, die den zu prüfenden Bereich optisch erfasst. Anschließend kann der Prüfer mit der Prüfdurchführung beginnen. Das Trackingmodul erkennt und verfolgt dabei die Bewegung des Prüfkopfes und protokolliert die Prüfpositionen und Messsignale. Die Messsignale werden automatisch ausgewertet und auf dem Live-Bild mit Ortskoordinaten fusioniert. Im Sinne einer Augmented Reality (AR) werden dem Prüfer auf einem Kontrollbildschirm (Notebook oder Tablet) die geprüften Bereiche und registrierten Fehleranzeigen, z. B. innere Fehler, angezeigt. Das Prüfergebnis kann zusätzlich mittels einer AR-Brille (MS HoloLens) visualisiert werden und digital an einen Server oder eine Datenzentrale »irgendwo auf der Welt« übertragen werden.
3D-SmartAssist Sensoren werden so Schritt für Schritt Bestandteil des Internet of Things. Die auf die relevante Information weiterverarbeiteten Daten lassen sich auf einfache Weise in das digitale Produkt- und Materialgedächtnis übermitteln und passend speichern. Eine Kombination mit kollaborativer Robotik eröffnet völlig neue Anwendungsfelder der Mensch-Maschine-Interaktion für den industriellen Einsatz.