Vorbeugender Wundschutz – Druckmessstrumpf für Diabetiker
Diabetes ist eine der großen Volkskrankheiten und kann zu schwerwiegenden Folgeerscheinungen führen. Rund 20 Prozent der Aufwendungen der Gesetzlichen Krankenversicherungen schlagen für die Behandlung zu Buche – so der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2014 der Deutschen Diabetes-Hilfe. Diabetiker in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung haben beispielsweise häufig kein Empfinden
mehr in den Füßen und können daher weder Druck- noch Temperatursignale registrieren. Sie merken nicht, wenn der Fuß zu sehr belastet wird. Schon kleine unebene Stellen oder der Druck des Schuhs auf den Fuß können so zu offenen Verletzungen oder Schädigungen am Gewebe führen, die dann oft zu spät bemerkt werden und zu chronischen Wunden führen. Vielen Diabetes-Patienten müssen deshalb Zehen und Füße amputiert werden. Ein neuartiger Druckmessstrumpf soll dies nun verhindern, indem das integrierte Sensorsystem den Träger vor Druckstellen warnt.
40 Sensoren messen den Druck
Der vom Fraunhofer ISC und seinen Projektpartnern entwickelte Spezialstrumpf hat insgesamt 40 sehr dünne, dielektrische Elastomersensoren. Sie messen die Druckbelastung auf den Fuß und übernehmen so die Funktion der Nerven. Im Gegensatz zu bisherigen Systemen, die nur den Druck auf der Unterseite des Fußes wahrnehmen, hat der neuartige Strumpf Sensoren an der Sohle, der Ferse, am Spann und am Knöchel. Die Signalerfassung erfolgt somit dreidimensional, was bisher kein bestehendes Messsystem auf dem Markt leisten konnte. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Sensoren, die zur Erhöhung des Tragekomforts in einer gestrickten Socke integriert sind, kostengünstig herstellen lassen.
Smartphone wertet Signale aus
Die Sensoren bestehen aus einer stark dehnbaren, weichen Siliconfolie. Deshalb lassen sie sich gut in Textilien integrieren, ohne dabei störend für den Träger zu sein. Die Folie ist beidseitig mit hochflexiblen Elektroden beschichtet. Verformt sich die Folie durch Druck oder Dehnung, verringert
sich ihre Dicke, gleichzeitig vergrößert sich dabei die Fläche. Das Resultat: Die elektrische Kapazität erhöht sich. Die Kapazitätsänderungen der 40 Sensoren werden über leitfähige und dehnbare Fäden an eine elektronische Auswertungseinheit geschickt. Die ausgewerteten Daten
werden per Funk an ein Smartphone oder Tablet gesendet, das dem Diabetespatienten anzeigt, ob er seine Fußhaltung oder -belastung ändern soll. So kann er schnell reagieren und sich vor gefährlichen Druckstellen schützen.
Ausblick
Um die Waschbarkeit zu gewährleisten, entwickeln die Projektpartner nun einen Strumpf, bei dem sich die Elektronik ähnlich einem Klettverschluss einfach abnehmen lässt. Kommerzielle Desinfektionsmittel erlauben aber jetzt schon die hygienische Aufbereitung des Messstrumpfes.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten für die textilintegrierte Sensorik liegen beispielsweise im Fitnessbereich. Jogger etwa könnten mit dem Strumpf ihren Laufstil und ihre Fußhaltung kontrollieren. Auch Handschuhe mit Sensoren lassen sich herstellen, womit Robotergreifer oder Prothesen ausgestattet werden könnten. Zukünftige Weiterentwicklungen ermöglichen die Messung der Körperhaltung von Menschen, um zum Beispiel Fehlbelastungenbei langem Sitzen vorbeugen zu können.