Erster »Branchentreff Klebstoffformulierung« startet mit großem Erfolg in Bremen

Pressemitteilung Fraunhofer IFAM /

Seit Jahrzehnten arbeiten Klebstoffformulierer weltweit an der Entwicklung und Weiterentwicklung von Klebstoffen. Erhältlich sind über 50.000 verschiedene Klebstoffe – vom »Alleskleber« bis hin zum speziellen Produkt für komplexe Anwendungen. Getrieben wird die Entwicklung neuer Klebstoffe von den technologischen Anforderungen der Industrie, technischen Herausforderungen, Trends und Änderungen auf dem Rohstoffmarkt. Beim 1. »Branchentreff Klebstoffformulierung« mit dem Thema »Biobasierte Rohstoffe für Kleb- und Dichtstoffe« trafen sich Klebstoffformulierer, Rohstoffhersteller und Klebstoffanwender zu einem branchenübergreifenden Erfahrungsaustausch und der Entwicklung neuer Ideen.

© Fraunhofer IFAM
1. Branchentreff Klebstoffformulierung »Biobasierte Rohstoffe für Kleb- und Dichtstoffe« am Fraunhofer IFAM in Bremen

Über 70 Teilnehmer diskutierten verschiedene Aspekte biobasierter Rohstoffe für Klebstoffformulierungen. Dabei ging es sowohl um die globale Verfügbarkeit von Rohstoffen als auch um Nachhaltigkeit und die Frage, welche zusätzliche Performance Klebstoffe durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe erreichen können. Kontrovers wurde die Frage diskutiert, welches der dominierende Antreiber für die Entwicklung von Klebstoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe ist. Zusätzlich gab Dr. Dietmar Peters vom Projektträger FNR eine interessante Übersicht über Fördermöglichkeiten auf diesem Gebiet.

Traditionelle Rohstoffe und Klebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe

Biobasierte Klebstoffe wie das Pech der Birkenrinde werden teilweise seit über 200.000 Jahren nachweislich genutzt. Wie archäologische Funde belegen, sind diese Klebstoffe alterungsbeständig und geeignet, hochfeste Klebverbindungen zu erzeugen. Klebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe waren lange Zeit alternativlos und wurden über die Jahrhunderte weiterentwickelt. Dies änderte sich erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der ersten synthetischen Reaktivharze – den Novolaken von Bakeland. Die Entwicklung synthetischer Harze und Klebstoffe verlief geradezu explosionsartig und die biobasierten Klebstoffe wurden aus vielen Bereichen vollständig verdrängt. In ausgewählten Nischen, wie dem Tapetenkleister auf Cellulosebasis, den stärkebasierten Klebstoffen für die Wellpappenherstellung oder den Glutinleimen für die Buchbinderei, haben sich diese Klebstoffe allerdings bis heute gehalten.

Wie Ralf J. Müller von der Firma Fritz Häcker GmbH & Co. KG (Hersteller von Glutinleimen) und Hermann-Josef Melcher von der Emsland-Stärke GmbH darstellen konnten, werden auch diese Klebstoffe weiterentwickelt. Dadurch ist es gelungen, hochspezialisierte Produkte für die Verklebung von Papiersäcken oder Schälfurnieren beziehungsweise weitere Anwendungen, z. B. als Schlichte für Glasfasern, zu kommerzialisieren. Etwas exotisch und trotzdem in seinen Eigenschaften hoch interessant, ist in diesem Zusammenhang sicherlich der traditionelle Schellack, wie Manfred Penning (PennConsult) eindrücklich zeigen konnte.

Neue biobasierte Rohstoffe für die Klebstoffentwicklung

Für biobasierte Rohstoffe stehen eine große Anzahl von Basischemikalien zur Verfügung, die entweder direkt oder nach einigen Veredelungsschritten in Klebstoffen eingesetzt werden können, was Dr. Toine Biemans (Worlée-Chemie GmbH) in seinem Übersichtsvortrag zeigte.

Ein breites Band an Beiträgen beschäftigte sich mit der Nutzung nachwachsender Rohstoffe für die Bereitstellung reaktiver Harzkomponenten. So berichtete beispielsweise Dr. Michael Blumenstein (HOBUM Oleochemicals GmbH) über die vielfältigen Möglichkeiten zur Nutzung pflanzlicher Fettsäuren als Ausgangsstoff für die Herstellung von Härtern für Epoxide oder für die Herstellung von Acrylaten und Polyisocyanaten. Bekannt ist ebenfalls die Nutzung des Cardanols, welches aus den Schalen von Cashewnüssen gewonnen wird und aus dem blockierte Isocyanate für Polyurethane hergestellt werden können, wie Tom Berckmans (Cardolite Speciality Chemicals Europe N.V.) in seinem Vortrag darlegte. Eine Möglichkeit zur Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe ist die Fermentation. So zeigte Dr. Christoph Thiebes (Covestro Deutschland AG) wie Polyurethanhärter durch Fermentation von Zucker gewonnen werden können. Als Harze können für Polyurethane z. B. Polyesterpolyole auf Basis nachwachsender Rohstoffe verwendet werden. Entsprechende Beispiele zeigte Dr. Thorsten Brand von der Evonik Resource Efficiency GmbH.

Auch Additive können auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden. Stefan Kölbig (Jungbunzlauer Ladenburg GmbH) informierte z. B. über Weichmacher auf Basis von Zitronensäure.

Wie biobasierte Rohstoffe in Haft- bzw. Schmelzklebstoffen eingesetzt werden können und welches Leitungsvermögen diese Materialien in konkreten Anwendungsfällen zeigen, machte Dr. Daniela Klein von der Firma Jowat SE in ihrem Vortrag deutlich.

Elena Gaida (BASF SE) stellte die Möglichkeit vor, alle Produkte des BASF Portfolios aus Biogas bzw. Bionaphtha herzustellen. Damit ist eine echte Alternative zu erdölbasierten Produkten gegeben. Gleichzeitig werden die ausgereiften Produktionsprozesse und -anlagen, die bereits für die Synthese der erdölbasierten Produkte bestehen, genutzt. Für die Herstellung von Bionaphtha werden Bioabfälle genutzt, es gibt also keine Konkurrenz bezüglich landwirtschaftlicher Nutzflächen für die Ernährung bzw. für Futterpflanzen.

Einblicke in Forschung und Entwicklung

Sowohl in der Industrie als auch an den Forschungsinstituten wird intensiv an der weiteren Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen für Anwendungen in Klebstoffen geforscht. Dazu gab es viele interessante Einblicke. Viele Bemühungen zielen dabei auf bekannte nachwachsende Rohstoffe wie Stärke oder Fettsäuren. Während es hier schon vielversprechende Lösungen gibt, stellen andere Rohstoffe – wie beispielsweise Lignin – die Forscher immer noch vor Herausforderungen. Über die entsprechenden Aktivitäten des Fraunhofer IFAM gab Prof. Dr. Andreas Hartwig in seinem Vortrag einen Überblick. Darüber hinaus gibt es Ansätze, aus der Natur bekannte und sehr gut haftende Aminosäuren bzw. Aminosäuresequenzen als Haftvermittler zu nutzen. Die Produktion solcher Peptide kann beispielsweise durch Fermentation entsprechend genetisch veränderter Bakterien erfolgen. Je nach Aminosäuresequenz können dabei nicht nur auf Edelstahl sondern auch auf schwierigen Oberflächen wie Polypropylen gute Haftungsergebnisse erzielt werden, wie in einem Vortrag von Dr. Andreas Taden (Henkel AG & Co. KGaA) gezeigt werden konnte. Dr. Klaus Rischka (Fraunhofer IFAM) berichtete, wie durch technisch hergestellte Laccase in einem einfachen Vorbehandlungsverfahren Oberflächen klebfreundlich modifiziert werden können. Das Beispiel der Nutzung von Peptiden macht darüber hinaus deutlich, dass der Übergang von »nachwachsenden« zu »bionischen« Roh- bzw. Klebstoffen fließend sein kann.

Neben der Vermittlung von Insiderwissen durch die Fachvorträge, konnten die Teilnehmer des 1. »Branchentreffs Klebstoffformulierung« die Veranstaltung vor allem für einen regen Meinungsaustausch und intensive Diskussionen nutzen. Die Abendveranstaltung im historischen Bremer Ratskeller ergänzte die Möglichkeit zum »Networking« auf besondere Weise. Der 2. »Branchentreff Klebstoffformulierung« ist bereits geplant und wird am 13./14.05.2020 in Bremen stattfinden.