Zweite Phase für das Leistungszentrum »Integration biologischer und physikalisch-chemischer Materialfunktionen«

Integrierte Zuckermoleküle schonen Zellkulturen

Pressemitteilung Fraunhofer IAP /

Um tierische oder pflanzliche Zellen, die beispielsweise für die Entwicklung neuer Wirkstoffe eingesetzt werden, schonend von ihren Zellkulturgefäßen abzulösen, integrieren Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung IAP und für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB, Zuckermoleküle auf dem Boden der Zellkulturgefäße. Dies ist eines von über 20 Projekten im Leistungszentrum »Integration biologischer und physikalisch-chemischer Materialfunktionen«, das seit April 2017 von den beiden Potsdamer Instituten koordiniert wird. Am 16. Mai 2019 startete das Leistungszentrum in die zweite Phase.

© Fraunhofer IAP
Die Beschichtung von Zellkulturgefäßen mit Glykopolymeren schont adhärente Zellen, die beispielsweise Wirkstoffe für die pharmazeutische Industrie produzieren.

Die Kultivierung von tierischen oder pflanzlichen Zelllinien nimmt einen großen Stellenwert in der biologischen Forschung und der pharmazeutischen Industrie ein – etwa bei der Erforschung von Vorgängen in den Zellen selbst oder bei der Entwicklung von neuen Wirkstoffen und Diagnosemethoden. Die meisten derzeit genutzten Zellen brauchen für die Kultivierung eine Oberfläche, auf der sie wachsen können. Es sind sogenannte adhärente Zellen. Sie wachsen im Allgemeinen aber nur so lange, bis die Oberfläche komplett bedeckt ist. Damit die Zellen weiterwachsen können, müssen sie vom Gefäßboden abgelöst, verdünnt und in ein neues Zellkulturgefäß überführt werden. Für das Ablösen wird üblicherweise das Enzym Trypsin verwendet, das jedoch die Oberflächenproteine der Zellen schädigt.

 

Beschichtung mit Glykopolymeren für Zellkulturgefäße

»Um die Zellen beim Ablösen zu schonen, haben wir den Boden der Zellkulturgefäße mit Glykopolymeren beschichtet, also mit Polymeren, die Zuckerreste tragen. Sie interagieren mit Proteinen auf der Zelloberfläche. Diese Wechselwirkung ist reversibel und kann über die Konzentration an gelösten Einfach- oder Mehrfachzuckern in der Umgebung gesteuert werden«, erklärt Dr. Ruben R. Rosencrantz, der das Projekt am Fraunhofer IAP leitet. Die Glykopolymere synthetisierten und optimierten Rosencrantz und sein Team in der ersten Projektphase des Leistungszentrums selber.
»In der zweiten Phase des Leistungszentrums werden wir daran arbeiten, die Anwendung für industrielle Produktionsprozesse zu etablieren. Dies betrifft beispielsweise die Anforderungen an Sterilität und Zytotoxizitätskriterien. Die Beschichtungstechnologie muss zudem den industriellen Gegebenheiten angepasst werden. Wir möchten ein »Kit« etablierten, das es dem Endnutzer ermöglicht, Zellkulturgefäße selber zu beschichten«, so Rosencrantz.

 

Auf dem Weg zur industriellen Anwendung

Am Fraunhofer IZI-BB wird die Technologie der Glykopolymeroberfläche in die adhärente Zellkultur übertragen. Hier wird sie vor allem eingesetzt, um wertvolle Zellproben zu vermehren und um therapeutisch relevante Proteine durch Zellen produzieren zu lassen. »In der ersten Projektphase des Leistungszentrums konnten wir am Fraunhofer IZI-BB zeigen, dass adhärente Zellen sehr gut auf den Glykopolymeroberflächen kultiviert werden können. Die Methode stellte sich als äußerst schonend für die Modellzellen heraus«, erklärt Dr. Lena Thoring, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Dr. Stefan Kubick am Fraunhofer IZI-BB. »Die zweite Phase des Leistungszentrums soll die Möglichkeit bieten, einen marktnahe Demonstratoroberfläche zu entwickeln, die die strikten Qualitätskriterien der Industrie erfüllt. Wir wollen zudem unser Repertoire an Anwendungen erweitern und beispielsweise adhärente Zelllinien entwickeln, die in Kombination mit der Glykopolymeroberfläche besonders gut für die Produktion von therapeutischen Proteinen geeignet sind«, so Thoring.

 

Leistungszentrum »Integration biologischer und physikalisch-chemischer Materialfunktionen«

Im Leistungszentrum sollen Materialien mit speziellen Funktionen mit Strukturmaterialen, die Form und Stabilität sicherstellen, zu einem fertigen Produkt kombiniert werden. Das Know-how vieler Forschungseinrichtungen verschiedener Wissenschaftsorganisationen in Brandenburg und Berlin wird in dem Leistungszentrum gebündelt. Über 40 Unternehmen haben bereits Interesse bekundet, die Entwicklungen des Leistungszentrums verwerten zu wollen. In der zweiten Phase soll sich das Leistungszentrum bis 31. Dezember 2020 weiter zu einer nationalen Transferstruktur mit einem professionellen Transfermanagement entwickeln.

Gefördert wird das Leistungszentrum durch die Ministerien für Wissenschaft, Forschung und Kultur MWFK sowie für Wirtschaft und Energie MWE des Landes Brandenburg sowie durch die Fraunhofer-Gesellschaft.